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Kunst und Gender: Metamoderne Fluidität

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Metamodern Concept

Die Debatte um Gender, ob es ein soziales Konstrukt oder eine biologische Essenz sei, steht im Zentrum zahlreicher Diskurse in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Viele Theoretiker, insbesondere aus der Soziologie und den Gender Studies, argumentieren, dass Gender hauptsächlich ein soziales Konstrukt sei. Diese Sichtweise geht davon aus, dass die Gesellschaft Geschlechterrollen und -identitäten durch soziale Normen, Erwartungen und Institutionen formt. Simone de Beauvoirs berühmtes Zitat „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht“ verdeutlicht diese Perspektive und spiegelt wider, wie tief verwurzelt die Idee des Genders als sozialer Konstruktionsprozess ist.

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Die Kunstgeschichte ist durchzogen von festgelegten Geschlechterrollen und binären Vorstellungen, die lange Zeit die künstlerische Produktion und Rezeption beeinflusst haben. Traditionelle Geschlechterrollen und binäre Vorstellungen dienten als normative Rahmenbedingungen, die oft festlegten, wer als Künstler anerkannt wurde und welche Themen und Stile als legitim galten. Doch in der dynamischen Landschaft der zeitgenössischen Kunst hat sich ein neues Paradigma herausgebildet, das als Metamoderne bezeichnet wird. Diese Bewegung, die etwa seit den frühen 2000er Jahren an Bedeutung gewonnen hat, zeichnet sich durch einen eklektischen und oft paradoxen Umgang mit ästhetischen und konzeptionellen Traditionen aus. Mit dem Einzug der Metamoderne erleben wir jedoch eine Phase, in der die starre Dichotomie von Geschlecht und Identität zunehmend aufbricht und einem fluiden Verständnis Platz macht. Diese Entwicklung eröffnet neue Horizonte sowohl für Künstler:innen als auch für die Kunstbetrachtung.

 

Die Metamoderne, ein Begriff, der nach der Postmoderne aufkam, zeichnet sich durch ihre Offenheit und Vielschichtigkeit aus. Sie verbindet Elemente der Moderne und Postmoderne, um eine Weltanschauung zu formen, die Ambivalenzen und Widersprüche nicht nur anerkennt, sondern aktiv integriert. In der Metamoderne wird Gender zunehmend als ein fließendes und flexibles Spektrum betrachtet, anstatt als binäres System. Dies ermöglicht eine breitere Akzeptanz von nicht-binären und genderqueeren Identitäten, wodurch Individuen mehr Freiheit haben, ihre Genderidentität auf eine Weise auszudrücken, die für sie authentisch ist. In der Metamoderne wird auch die Bedeutung von Intersektionalität betont, d.h. das Verständnis, dass Genderidentität nicht isoliert existiert, sondern in Wechselwirkung mit anderen sozialen Kategorien wie Rasse, Klasse, Sexualität und Fähigkeit steht. Dieses Bewusstsein fördert eine ganzheitlichere Betrachtung von Identität und Diskriminierung, die in der metamodernen Kunst tief verankert ist.

 

Diese fluiden Genderkonzepte spiegeln sich auf vielfältige Weise in der zeitgenössischen Kunst wider. Künstler:innen experimentieren mit Identität, Körper und Selbstwahrnehmung. Sie nutzen ihre Werke als Plattformen, um traditionelle Geschlechterrollen zu dekonstruieren und neue, hybride Identitäten zu erforschen. Im Kontext der metamodernen Kunst spielen FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen) eine zentrale Rolle in der Entwicklung und Transformation der zeitgenössischen Kunstszene. FLINTA*-Künstler:innen sind oft Vorreiter bei der Erkundung und Darstellung fluiden Genderverständnisses, da sie selbst in ihren Lebensrealitäten die Grenzen traditioneller Geschlechterrollen überschreiten und infrage stellen. Ihre Werke bieten einzigartige Perspektiven auf Identität, Körper und gesellschaftliche Normen und sind essentiell für das Verständnis der Vielfalt und Komplexität menschlicher Erfahrung in der Metamoderne. Die Darstellung der inneren Welt und Ästhetik von Trans- und geschlechtsunkonformen Menschen in der Kunst der Metamoderne eröffnet komplexe Diskussionen, die tief in die Kunsttheorie und -philosophie reichen. Diese Werke stellen nicht nur individuelle Erfahrungen dar, sondern sie repräsentieren eine radikale Umdeutung von Identität und Körperlichkeit, die die Grenzen traditioneller künstlerischer Ausdrucksweisen sprengt.

 

In der Metamoderne wird der Körper oft als Ort der kontinuierlichen Transformation verstanden, was eine zentrale philosophische Verschiebung von der Auffassung des Körpers als statisches Objekt hin zu einem dynamischen Subjekt markiert. Künstler:innen, die sich mit geschlechtsunkonformen Identitäten auseinandersetzen, nutzen den Körper als Medium, um die Vielschichtigkeit von Gender zu visualisieren. Hierbei greifen sie auf ästhetische Strategien zurück, die auf die Dekonstruktion von Form und Struktur abzielen. Durch den Einsatz von Fragmentierung, Überlagerung und hybriden Formen wird die Vorstellung von einem kohärenten, normativen Körperbild aufgelöst. Diese künstlerischen Ansätze stehen im Dialog mit poststrukturalistischen Theorien, insbesondere mit dem Denken von Jacques Derrida und Hélène Cixous, die die Instabilität von Zeichen und Bedeutungen betonen. Derrida, einer der Begründer der Dekonstruktion, forderte die Vorstellung heraus, dass Bedeutung fest und unveränderlich sei. Stattdessen betonte er die ständige Verschiebung und Neuinterpretation von Zeichen, was in der Kunst der Metamoderne durch die fließende Darstellung von Gender und Identität widerhallt.

 

Die Ästhetik, die in diesen Arbeiten zum Ausdruck kommt, verweigert sich eindeutigen Kategorisierungen und schafft Räume, in denen das „Unheimliche“ (nach Sigmund Freud) und das „Abjekt“ (nach Julia Kristeva) eine zentrale Rolle spielen. In der künstlerischen Praxis wird das Unbehagen, das mit dem Aufbrechen der binären Geschlechterordnung einhergeht, nicht nur thematisiert, sondern als produktive Kraft eingesetzt. Die Werke agieren als „Störfelder“, die das vertraute visuelle Vokabular destabilisieren und den Betrachter in eine Reflexion über die Grenzen des Selbst und des Anderen zwingen. Diese künstlerische Strategie führt zu einer neuen Art des Sehens, die das Potenzial hat, tief verwurzelte gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und zu transformieren.

 

Ein wichtiger Aspekt dieser Ästhetik ist die Performativität des Körpers. Judith Butler's Konzept der Performativität, das besagt, dass Geschlecht durch wiederholte Handlungen und nicht durch eine biologische Essenz konstruiert wird, findet hier eine künstlerische Entsprechung. FLINTA*-Künstler:innen nutzen performative Praktiken, um die Fluidität von Gender zu inszenieren. Diese Inszenierungen sind oft prozessual, d.h., sie entwickeln sich über Zeit und Raum hinweg, was eine Abkehr von traditionellen, abgeschlossenen Kunstwerken darstellt. Stattdessen werden Werke geschaffen, die in ihrer Offenheit und Wandelbarkeit die metamoderne Haltung des „Sowohl-als-auch“ verkörpern.

 

Ein weiterer bedeutender Aspekt dieser Kunst ist die Auseinandersetzung mit dem Blick, der in der Kunsttheorie als „Male Gaze“ diskutiert wird. Der Begriff wurde von der Filmtheoretikerin Laura Mulvey geprägt und beschreibt die dominierende männliche Perspektive, die Frauen in der Kunst und im Film als passive Objekte des männlichen Begehrens darstellt. Trans- und geschlechtsunkonforme Kunstwerke hinterfragen die Machtstrukturen, die dem traditionellen männlichen Blick innewohnen, und schaffen alternative Seherfahrungen, die nicht normativen Identitäten gerecht werden. Diese Arbeiten bieten eine dekonstruktivistische Lesart von Gender und Körper, indem sie den Blick zurück auf den Betrachter lenken und so die Hierarchien zwischen Subjekt und Objekt, Sehendem und Gesehenem destabilisieren. Philosophisch gesehen trägt diese Kunst zur Diskussion über das „Werden“ bei, ein Konzept, das in der Metamoderne zentral ist und das durch Denker wie Gilles Deleuze und Félix Guattari geprägt wurde. In ihrer Philosophie des Werdens wird der Körper nicht als feste Entität, sondern als „Body without Organs“ (BwO) gedacht – ein offenes, unstrukturiertes Feld von Möglichkeiten. Diese Idee findet in der Kunst von Trans- und geschlechtsunkonformen Personen eine visuelle Entsprechung. Ihre Werke fungieren als Manifestationen des Werdens, in denen Identität, Körper und Subjektivität ständig neu verhandelt werden.

 

Das Konzept der metamodernen Fluidität im Hinblick auf Gender geht jedoch über die individuelle künstlerische Praxis hinaus. Es beeinflusst auch institutionelle Strukturen und die Art und Weise, wie Kunst präsentiert und wahrgenommen wird. Museen und Galerien beginnen, ihre Ausstellungen diverser zu gestalten und Künstler:innen eine Plattform zu bieten, die traditionelle Geschlechterrollen hinterfragen. Diese Veränderung spiegelt sich in Ausstellungen wider, die nicht nur genderqueere Künstler:innen vorstellen, sondern auch kuratorische Praktiken neu denken.

 

In meiner eigenen Ausstellung „Metamoderne Grotesk“, die im Haus des Deutschen Ostens stattfand, widmete ich mich einer Retrospektive des Grotesken in verschiedenen Kulturepochen. Mit einem modernen, teils ironischen Blick auf die seltsamen Formen und Figuren der westlichen Kultur setzte ich mich künstlerisch mit den Brüchen und Ambivalenzen auseinander, die in der Metamoderne verhandelt werden. Diese Ausstellung zielte darauf ab, die Groteske nicht nur als historische Kategorie, sondern als lebendige und flexible Ästhetik zu betrachten, die sich ständig wandelt und an die sich verändernden sozialen und kulturellen Kontexte anpasst.

 

Zusätzlich zur Ausstellung finden Sie in der Bibliothek des Hauses des Deutschen Ostens zwei bedeutende Kataloge, die sich intensiv mit dem Thema Geschlechtsidentität auseinandersetzen. Die erste Sammlung, „Transrocchetto“, beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Gewalt und Macht, die auf Transgender und geschlechtsunkonforme Menschen ausgeübt wird. Sie thematisiert sowohl moralische als auch körperliche Folter sowie die bis heute an diesen Menschen durchgeführten Experimente. Diese Sammlung beleuchtet die tiefen, oft schmerzhaften Erfahrungen, die mit nicht-binären Identitäten verbunden sind, und fordert die Betrachter auf, sich mit den realen Konsequenzen von Geschlechterdiskriminierung auseinanderzusetzen. Die zweite Sammlung, „Prediction 000“, besteht aus einer Reihe von über hundert nicht-binären Personen, die von einem künstlichen neuronalen Netzwerk generiert wurden. Diese Sammlung spiegelt die chaotische, undefinierte und oft gewalttätige Natur der nicht-binären, ambivalenten, metamodernen Welt wider. Gleichzeitig zeigt sie die außergewöhnliche Tiefe, Sinnlichkeit und Aufrichtigkeit des Versuchs, eine Wahrheit zu fühlen, ohne sie vollständig verstehen zu müssen. Diese Arbeit steht im Einklang mit der metamodernen Philosophie, die sich nicht auf klare Definitionen und starre Identitäten festlegt, sondern die Vielschichtigkeit und Komplexität menschlicher Erfahrungen anerkennt und zelebriert. 

 

Die Zukunft der Kunst und des Geschlechts ist fluid, vielfältig und voller Möglichkeiten. In dieser metamodernen Ära liegt die Kraft in der Offenheit für Veränderung und der Anerkennung der unendlichen Facetten menschlicher Identität. Die metamoderne Fluidität fordert uns auf, uns von binären Denkmustern zu lösen und die Vielschichtigkeit menschlicher Identität anzuerkennen. In der Kunst wird diese Bewegung durch Werke sichtbar, die Geschlechtergrenzen überschreiten und eine neue, inklusive Sichtweise fördern. Es ist eine Einladung, Gender nicht als festgelegte Kategorie, sondern als dynamischen, sich ständig verändernden Prozess zu verstehen. Dieser Wandel in der Kunstwelt ist mehr als nur ein Trend; er ist ein Spiegel unserer sich verändernden Gesellschaft. Indem Künstler:innen und Kulturinstitutionen die fluiden Konzepte der Metamoderne annehmen, tragen sie zu einer Welt bei, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern gefeiert wird. Dies ist die wahre Stärke der Kunst in der Metamoderne: Sie bietet uns die Möglichkeit, uns selbst und unsere Welt neu zu denken – frei von den Fesseln binärer Beschränkungen.

Alfred Stoll, August 2024

Dieser Text ist eine Veröffentlichung im HDO-Journal, Themenheft 2024 „Pionierinnen, Visionärinnen, Kämpferinnen aus dem östlichen Europa“. Diese Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Hauses des Deutschen Ostens (HDO), München.

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